Sturz beim gemeinsamen Rennradtraining
Das Amtsgericht (AG) Nordhorn hat mit Urteil vom 7. Mai 2015 entschieden (3 C 219/15), dass der Vorausfahrende eines gemeinsamen Rennradtrainings nicht haftet, wenn es im Pulk nach einem Sturz des Vordermanns zu einem Auffahrunfall kommt.
Ein Mann und späterer Kläger sowie auch der Beklagte waren Mitglied in der Rennradabteilung eines Sportvereins. Gemeinsam mit anderen Rennradfahrern trafen sie sich regelmäßig zu gemeinsamen Trainingsfahrten, bei denen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h auch im Pulk gefahren wurde. Um den Windschatten der Gruppe auszunutzen, betrug der Abstand zum jeweiligen Vordermann ein bis 1,5 m.
Der Beklagte kam bei einer dieser Ausfahrten direkt vor dem Kläger zu Fall und der Kläger stürzte ebenfalls, da er angesichts des geringen Abstands und der hohen Geschwindigkeit nicht rechtzeitig bremsen oder auszuweichen konnte.
Bei dem Unfall wurde der Kläger selbst nicht ernsthaft verletzt, aber sein Fahrrad und sein Fahrradhelm erheblich beschädigt, so dass der den Beklagten auf Schadenersatz in Höhe von ca. 1.700,- in Anspruch nahm.
Der Privathaftpflichtversicherer des Beklagten lehnte die Schadenregulierung ab. Daher landete der Fall vor dem AG Nordhorn, welches die Klage des Rennradfahrers als unbegründet zurückwies.
Aus richterlicher Sicht war die Unfallursache ein Fahrfehler mit anschließendem Sturz des Beklagten.
Alle Beteiligten, zu denen auch der Kläger zählte, begaben sich durch die Teilnahme an einer Trainingsfahrt mit sportlichem Charakter bewusst in eine Situation mit drohender Eigengefährdung. Durch die Missachtung eines hinreichenden Sicherheitsabstandes hätten sie sich stillschweigend über die Regeln der Straßenverkehrsordnung hinweggesetzt.
Mit dem Sturz des Beklagten hat sich auch eine Gefahr realisiert, mit welcher der Kläger habe rechnen müssen. Durch die geringen Abstände der einzelnen Teilnehmer zueinander war es bei einem unerwarteten Ereignis allen nicht möglich, rechtzeitig anzuhalten.
Dass sich der Unfall nicht im Rahmen einer Wettkampfveranstaltung ereignet habe, ist unerheblich, da das nichts an dem Tatbestand einer bewussten Selbstgefährdung ändere.
Der Kläger hat deswegen die Folgen des Unfalls selbst zu tragen.
Fehlende Einbruchspuren am Garagentor
Das Landgericht (LG) Passau hat mit Urteil vom 6. Juli 2015 (1 O 121/15) entschieden, dass Versicherungsschutz durch eine Hausratversicherung besteht, wenn ein Einbrecher es schafft, ein ordnungsgemäß verriegeltes Garagentor durch erhebliche Kraftanwendung zu öffnen, ohne dabei Einbruchspuren zu hinterlassen.
Eine Frau und spätere Klägerin hatte wegen eines zeitnahen Umzugs einige Hausratgegenstände vorübergehend in ihrer Garage eingelagert. Im Beisein eines Zeugen hatte die Klägerin das Garagentor am Abend des 27. September 2013 ordnungsgemäß verschlossen. Beim Aufsperren am Morgen darauf, wurde sie damit konfrontiert, dass es einem Einbrecher zwischenzeitlich gelungen war, Hausratgegenstände im Wert von ca. 6.000,- € aus der Garage zu entwenden.
Allerdings fehlte es an Spuren des Täters, die auf ein gewaltsames Öffnen der Garage hätten hindeuten können. Der klägerische Hausratversicherer lehnte daher die Schadenregulierung ab und unterstellte, dass das Garagentor entgegen der Behauptung der Versicherten nur angelehnt, aber unverschlossen worden war.
Die Geschädigte verklagte daraufhin ihren Versicherer vor dem LG Passau, wo ihrer Klage nach Anhörung des von ihr benannten Zeugen und eines Gutachters stattgegeben wurde.
Die Richter bezweifelten nicht, dass ein Einbruch im versicherungsrechtlichen Sinn voraussetzt, dass Gewalt gegen Gebäudebestandteile ausgeübt wird, um sich Zutritt zu verschaffen. Unbestritten wurde, dass an dem Garagentor keine Aufbruchspuren vorhanden waren. Nach der gutachterlichen Stellungnahme ging das Gericht im vorliegenden Fall dennoch von einem versicherten Einbruch aus.
Der Sachverständige hatte zwar festgestellt, dass zum Zeitpunkt des behaupteten Ereignisses der Verschlussriegel an der rechten Seite der Garage defekt war, so dass die Verriegelung folglich nur auf der linken Seite funktionierte.
Nach richterlicher Überzeugung ist ausreichend, dass bei einer ordnungsgemäßen, durch den glaubwürdigen Zeugen bestätigten Versperrung der Türgriff nicht drehbar und das Garagentor trotz des Defekts ausreichend verschlossen war.
Der Gutachter führte das Öffnen des Tores ohne Einbruchspuren zu hinterlassen, darauf zurück, dass er das Türblatt an der Seite des defekten Verschlusses angehoben und verdreht hatte, um so den Riegel auf der linken Seite zurückzuziehen. Bei dieser Vorgehensweise, insbesondere unter Verdrehung des Türblattes, kann von einer nicht unerheblichen körperlichen Kraftentfaltung bzw. einer nicht unerheblichen Anstrengung gesprochen werden. Folglich stellt das Gesamtgepräge des Vorgangs einen Einbruch im Sinne der Versicherungsbedingungen dar.
Nicht erkennbare Einbruchspuren trotz der Gewaltanwendung durch den Täter sind gemäß Gutachten damit zu erklären, dass der Einbrecher das Garagentor mit der für den Einbruch eingesetzten Methode in die ursprüngliche Lage zurückversetzen konnte.
Keine Befreiung von der elektronischen Gesundheitskarte
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21. Juni 2016 (L 11 KR 2510/15) entschieden, dass gesetzlich Krankenversicherte in der Regel keinen Rechtsanspruch auf die Befreiung von der Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte haben. Auf der Karte dürfen ohne Einwilligung der Versicherten jedoch nicht mehr Daten gespeichert werden als unbedingt nötig.
Ein IT-Ingenieur hatte Klage erhoben, da er grundsätzlich klären lassen wollte, ob er die elektronische Gesundheitskarte nutzen müsse, wenn er Leistungen der Krankenkasse in Anspruch nehmen wolle.
Erstinstanzlich bejahte das Karlsruher Sozialgericht dies und wies seine Klage auf Befreiung von der Verwendung der Karte ab. Vor dem baden-württembergischen unterlag er jedoch ebenfalls.
Nach richterlicher Ansicht beinhaltet das gesetzliche Recht auf informationelle Selbstbestimmung keinen Anspruch auf Verhinderung der Digitalisierung und somit ein „Weiterleben in einer analogen Welt. Dieses Recht verlangt auch, dass die Voraussetzungen und der Umfang der Speicherung sensibler (Gesundheits-) Daten gesetzlich klar geregelt sind und nicht möglichen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Behörden überlassen wird.
Deswegen sei für die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung einer Reihe sensibler Daten die Einwilligung der Versicherten erforderlich, welche sicherstelle, dass ein „gläserner Patient“ nicht Wirklichkeit werde.
Eine Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen ist nicht durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt und daher aus der Sicht des Gerichts unzulässig. Zukünftige sollten gemäß der Vereinbarung ergänzend zum Versichertenstatus weitere statusergänzende Merkmale auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden wie z.B. die Teilnahme an bestimmten Programmen oder Angaben über eine spezialfachärztliche Versorgung.
Im vorliegenden Fall des IT-Ingenieurs war nur sein Versichertenstatus gespeichert worden, so dass seine Klage als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Wirkung einer Einzelzusage auf eine Betriebsvereinbarung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 19. Juli 2016 entschieden (3 AZR 134/15), dass ein Beschäftigter mit einer Einzelzusage nicht die Anwendung der Betriebsvereinbarung in seinem Fall verlangen kann, wenn eine einzelvertragliche Vereinbarung zu einer betrieblichen Altersversorgung und eine Zusage im Rahmen einer Betriebsvereinbarung eine annähernd gleiche Versorgung vorsehen.
Im Jahr 1987 waren einem Mann und späteren Kläger arbeitgeberseitig einzelvertragliche Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) über eine Pensionskasse zugesagt worden. Im Folgejahr trat in seiner Firma eine Betriebsvereinbarung in Kraft, nach der allen ab einem bestimmten Stichtag Beschäftigten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Direktzusage versprochen wurden. Später wurde diese Vereinbarung mehrfach, wie auch im Jahr 2007, abgelöst. Diese Fassung regelte, dass Beschäftigte, die in der Vergangenheit eine einzelvertragliche Zusage erhalten hatten, nicht in den Geltungsbereich der aktuellen Vereinbarung fallen.
Der Kläger akzeptierte das nicht und verklagte seinen Arbeitgeber auf Feststellung, dass ihm ab Rentenbeginn ein Anspruch auf eine Betriebsrente gemäß der Versorgungsordnung des Jahres 2007 zustehe. Seine einzelvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen, da er nicht wirksam auf die in der aktuellen Betriebsvereinbarung festgelegten Ansprüche habe verzichten können.
Erstinstanzlich wurde die Klage vom Arbeitsgericht als unbegründet zurückgewiesen. In der Berufungsinstanz hatte der Kläger vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht mehr Erfolg, denn die Richter gaben der Klage statt und stellten fest, dass dem Kläger tatsächlich eine Altersrente gemäß der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2007 zustehe.
Der Arbeitgeber nahm das zum Anlass, Revision beim BAG einzulegen, wo er einen Etappensieg errang.
Nach richterlicher Auffassung dürfen Beschäftigte, denen bereits einzelvertraglich eine bAV zugesagt wurde, nur unter engen Voraussetzungen vollständig von einem auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden kollektiven Versorgungssystem ihres Arbeitgebers ausgeschlossen werden.
Notwendig ist, dass die Betriebsparteien bei dem ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum unterstellen können, dass diese Arbeitnehmer im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest gleichwertige Versorgung erhalten.
Inwiefern das vorliegend der Fall ist, ist nach BAG-Ansicht fraglich und die Sache wurde deswegen an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, welches nun klären muss, ob die dem Kläger von seinem Arbeitgeber erteilte einzelvertragliche Zusage in etwa mit der Zusage im Rahmen der Betriebsvereinbarung gleichwertig ist. Dann wäre die Klage abzuweisen. Andernfalls wäre die Betriebsvereinbarung unwirksam, da sie dann zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit einer einzelvertraglichen Zusage führen würde.
Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten trotz doppelter Beauftragung
Das Amtsgericht (AG) Hamburg hat mit Urteil vom 30. März 2016 (33a C 336/15) entschieden, dass Autofahrer, die mit ihrem Fahrzeug schuldlos in einen Unfall verwickelt werden, grundsätzlich berechtigt sind, auf Kosten des Schädigers einen Sachverständigen zu beauftragen. Nichts anderes gilt, wenn die Gegenseite bereits einen Gutachter beauftragt hat.
Der klägerische Pkw war ohne dessen Verschulden bei einem Unfall beschädigt worden. In der Annahme, dass der Schaden erheblich sei, beauftragte der Kläger einen Gutachter mit der Besichtigung des Fahrzeugs ohne zu wissen, dass der Versicherer des Unfallverursachers bereits einen Sachverständigen eingeschaltet hatte.
Vor diesem Hintergrund lehnte der Versicherer die Zahlung der klägerischen Gutachterkosten ab. Das AG Hamburg gab der Klage des Geschädigten auf Zahlung der von ihm verauslagten Kosten in Höhe von fast 300,- € statt.
Nach richterlicher Auffassung gehören die Kosten eines von einem Geschädigten eingeholten Sachverständigen-Gutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und daher auszugleichenden Vermögensnachteilen.
Einzige Voraussetzung ist, dass die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist. Dabei kommt es auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters an, d.h. erforderlich sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten tätigen würde.
Unerheblich ist, ob möglicherweise auch der Schädiger oder dessen Versicherer schon ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben haben.
Bei der Frage der Kostenerstattung ist es auch nicht allein entscheidend, ob die Schadenhöhe einen gewissen Betrag übersteige, da der Geschädigte zum Zeitpunkt der Sachverständigenbeauftragung diese Höhe gerade nicht kenne.
Bei reinen Bagatellschäden < 750,- € muss der Schädiger bzw. dessen Versicherer regelmäßig jedoch nicht die Kosten für ein von dem Geschädigten beauftragtes Gutachten tragen, wenn keine Gefahr von Weiterungen besteht oder ein teilweise verdeckter Schadenumfang vorliegt. Dann reicht die Einholung eines Kostenvoranschlags aus.
Im vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass der Versicherer des Schädigers die Gutachterkosten erstatten muss.
Aachenmünchener unterliegt vor dem Bundesverfassungsgericht
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11) entschieden, dass Versicherungsnehmer einer zwischen 1994 und 2007 abgeschlossenen Lebensversicherung einen Rückabwicklungsanspruch haben, wenn sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt wurden.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwei Verfassungsbeschwerden der Aachenmünchener Lebensversicherung nicht zur Entscheidung angenommen, da das „ewige“ Widerrufsrecht, das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrten Lebensversicherungs-Kunden eingeräumt wird, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Aktuell will der Versicherer die vorliegenden Widerspruchserklärungen schnellstmöglich bearbeiten.
Ergänzend zu dem o.g. Urteil hatte der BGH in zwei weiteren Verfahren von Kunden der Aachenmünchener Lebensversicherung AG eine entsprechende Entscheidung gefällt. Wenngleich die Kunden den 1993 und 2003 abgeschlossenen Verträgen erst 2010 bzw. 2013 widersprachen, sei das nach § 5a Absatz 2 Satz 4 VVG alte Fassung einjährige Widerrufsrecht nicht erloschen. Aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Daher seien Widersprüche ungeachtet dieser Frist rechtzeitig erfolgt (Urteile vom 29. Juli 2015 – IV ZR 448/14, IV ZR 384/14.
Die Aachenmünchener hatte gegen die zwei BGH-Entscheidungen Verfassungsbeschwerden eingelegt, welche das BVerfG mit veröffentlichtem Beschluss vom 23. Mai 2016 (1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15) nicht zur Entscheidung angenommen hatte. Nach gerichtlicher Auffassung ist die Einräumung eines „ewigen“ Widerrufsrechts bei Lebensversicherungen, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat, […] verfassungsrechtlich nicht zu monieren.
Die gerügten BGH-Urteilen wahrten die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfindung und Gesetzesbindung und verletzten die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 GG. Der BGH habe durch seine Urteile die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert, den erkennbaren, ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nicht beiseitegeschoben und den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck der Regelung des § 5a Absatz. 2 Satz 4 VVG a.F. unter Beachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung der Richtlinien zur Lebensversicherung möglichst weitgehend zur Geltung gebracht.“
Der Versicherer erklärte, dass er diese Entscheidung selbstverständlich respektiere und nun die BGH-Urteile umsetze. Man habe sich darauf vorbereitet und werde die vorliegenden Widerspruchserklärungen nunmehr schnellstmöglich bearbeiten. Bis dato hatte die Gesellschaft Rückabwicklungsanfragen unter Verweis auf die Verfassungsbeschwerden abgelehnt.
Auch in Schreiben anderer Anbieter waren entsprechende Verhaltensweisen von den Verbraucherschützern entdeckt worden.
Haftung eines Fahrradfahrers mit Hund
Das Landgericht Münster hat mit Urteil vom 16. Dezember 2015 (01 S 56/15) entschieden, dass ein Fahrradfahrer, der ein Tier mit sich führt, sicherzustellen hat, dass dadurch die Beherrschung seines Fahrrades nicht beeinträchtigt wird. Bei einem Unfall trifft ihn andernfalls ein überwiegendes Verschulden.
Ein Mann und späterer Kläger radelte auf seinem Fahrrad und lenkte dabei ausschließlich mit der linken Hand und hielt an der rechten Hand zwei Leinen, an denen er seine beiden ihn begleitenden Schäferhunde führte.
Entgegen kam ihm ein Fußgänger und späterer Beklagter mit seinem unangeleinten Hund. Als dieser die beiden anderen Artgenossen bemerkte, bewegte er sich auf sie zu. Um Schlimmeres zu vermeiden, bremste der Kläger scharf und kam dabei zu Fall. Folge des Sturzes war eine klaffende Risswunde.
Der Radfahrer verklagte den Fußgänger auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld, da sich der Unfall nur ereignet habe, da der Beklagte seinen Hund entgegen des kommunalen Leinenzwangs unangeleint ausgeführt hatte. Damit obsiegte er nur teilweise.
Das Landgericht Münster als Berufungsinstanz schloss sich den Ausführungen der Vorinstanz an, welche festgestellt hatte, dass der Kläger überwiegend allein für seinen Sturz verantwortlich ist.
Fahrradfahrer sind zwar gemäß § 28 Absatz 1 StVO dazu berechtigt, Hunde mit sich zu führen und es ist ihnen ferner nicht verboten, ein Fahrrad einhändig zu fahren. Allerdings hätte der Kläger gewährleisten müssen, dass er beim Radfahren trotz seiner ihn begleitenden Hunde nicht beeinträchtigt wird. Vorliegend war das nicht der Fall gewesen.
Der Kläger konnte wegen der in der rechten Hand geführten Leinen nicht sofort wieder den Lenker nehmen, um einer Gefahr auszuweichen. Dies wäre bei einer zweiten freien Hand anders gewesen.
Darüber hinaus hätte der Kläger die drohende Gefahr durch den Hund des Beklagten frühzeitig erkennen und darauf reagieren können. Denn schließlich habe er sich dem frei laufenden Tier von hinten genähert.
Hinzu kommt, dass der Kläger selbst dann, wenn der Hund des Beklagten angeleint gewesen wäre, dazu verpflichtet gewesen wäre, sein Tempo zu reduzieren und zur Not von seinem Fahrrad abzusteigen. Bei Begegnungen mit fremden Hunden ist nie auszuschließen, dass diese auf Artgenossen reagieren und dadurch eine potenziell gefährliche Verkehrssituation entsteht.
Das Gericht rechnete dem Beklagten wegen der Gesamtumstände nur ein geringes Mitverschulden von 25% zu, der sich nur den Vorwurf gefallen lassen muss, seinen Hund entgegen des Leinenzwangs nicht angeleint zu haben.
Dagegen muss sich der Kläger das überwiegende Verschulden von 75% anrechnen lassen.
Heimarbeitsplatz-Unfall nicht von Berufsgenossenschaft geschützt
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 5. Juli 2016 entschieden (B 2 U 5/15 R), dass ein Heimarbeiter, der auf dem Weg zur Küche seiner Wohnung verunglückt, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Eine Frau und spätere Klägerin hatte mit ihrem Arbeitgeber die Vereinbarung getroffen, für ihn von zuhause aus an einem sog. Telearbeitsplatz zu arbeiten und richtete den Arbeitsplatz im Dachgeschoss ihrer Wohnung ein.
Da die Heimarbeiterin unter einer Krankheit litt, die mehrmaliges Trinken in großen Mengen am Tag erforderte, sucht sie regelmäßig die im Erdgeschoss der Wohnung befindliche Küche auf. Dabei stürzte sie so unglücklich auf der Treppe, dass sie eine Fraktur des linken Mittelfußknochens erlitt.
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls wegen der Unfallfolgen ab, da die Klägerin nicht in die Küche gegangen sei, um ihrer versicherten Tätigkeit nachzugehen, sondern um Wasser zum Trinken zu holen. Daher sei sie einer typischen eigenwirtschaftlichen, nicht versicherten Tätigkeit nachgegangen.
Der Vorfall stellte keinen versicherten Wegeunfall dar, der das Durchschreiten der Außentür des Gebäudes voraussetzte.
Mit dieser Begründung hatte der gesetzliche Unfallversicherungs-Träger zunächst keinen Erfolg und die Frau obsiegte in der Berufungsinstanz. Nach richterlicher Auffassung hat der Weg der Klägerin in ihre Küche in sachlichem Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit gestanden und somit einen versicherten Betriebsweg dargestellt. Obgleich Teil der privaten Wohnung sei die Treppe der Betriebsstätte zuzurechnen.
Maßgeblich ist, ob der Ort des Unfallereignisses wesentlich auch Betriebszwecken diene. Hiervon sei im zugrunde liegenden Fall auszugehen, da sie ihren Arbeitsplatz ausschließlich habe über die Treppe erreichen können.
Regelmäßig ist zwar die Nahrungsaufnahme von Beschäftigten deren unversicherten, privaten Bereich zuzuordnen. Die Gerichte erkennen aber an, dass Wege zum Ort der Nahrungsaufnahme im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit grundsätzlich versichert seien.
Das letztinstanzlich mit dem Fall befasste BSG wollte sich dieser Argumentation nicht anschließen, gab der Revision der Berufsgenossenschaft statt und wies die Klage der Frau als unbegründet zurück. Für Unfälle in der Wohnung von Heimarbeitern besteht nur dann Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung, wenn der Unfall auf dem Weg zur Ausübung der versicherten Tätigkeit passiert ist. Im Gegensatz dazu ist die Klägerin auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Küche und damit in den persönlichen Lebensbereich ausgerutscht.
Dass die Klägerin grundsätzlich darauf angewiesen ist, die Treppe zu benutzen, um ihrer Beschäftigung überhaupt nachgehen zu können, spricht allein nicht für das unmittelbare Betriebsinteresse. Vielmehr kommt es laut BSG darauf an, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Verletzte während des Unfalls ausübte.
Im vorliegenden Fall war die Frau die Treppe nicht hinabgestiegen, um ihrer versicherten Tätigkeit nachzugehen, sondern um in der Küche Wasser zum Trinken zu holen. Zum Unfallzeitpunkt habe sie damit eine typische eigenwirtschaftliche – im Ergebnis unversicherte – Tätigkeit ausgeübt.
Eine andere Bewertung ist nicht dadurch geboten, dass Heimarbeit deutlich zunimmt und dabei zu einer Verlagerung von den Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich führt. Die betrieblichen Interessen dienende Arbeit in der Wohnung eines Versicherten entzieht dieser nicht den Charakter der privaten, nicht versicherten Lebenssphäre.
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung können außerhalb der Betriebsstätten der Arbeitgeber kaum präventive, gefahrenreduzierende Maßnahmen ergreifen.
Daher ist es sachgerecht, das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung zuzurechnen, mit der die Unternehmerhaftung abgelöst werden soll.